6 Farb- und Tonwertkorrekturen
Bilder entsprechen meist nicht oder nur zum Teil den Anforderungen oder Vorstellungen des Grafikers, des Fotografen oder auch des Kunden, für den diese Bilder bestimmt sind. Sind es manchmal grundlegende Probleme oder gar Aufnahmefehler, die eine mehr oder weniger umfangreiche Nachbearbeitung notwendig machen, ist es gelegentlich auch nur der letzte Schliff, den eine an sich bereits gut gelungene Aufnahme noch braucht.
Neben technischen Bildfehlern wie Rauschen, Unschärfe und optischen Unzulänglichkeiten (siehe Kapitel 3) sind es vor allem nicht optimale Belichtung und Farbstiche durch einen falschen Weißabgleich, die korrigiert werden müssen. Dies geschieht mit den umfangreichen Möglichkeiten, die Photoshop für die Farb- und Tonwertkorrektur bereithält.
Auch wenn sich dieses Buch an fortgeschrittene Photoshop-Nutzer richtet, soll speziell hier noch einmal recht weit vorn begonnen werden, denn die Erfahrung hat gezeigt, dass auch bei durchaus weitreichenden Fähigkeiten und guten Kenntnissen im Detail der einzelnen Funktionen und Werkzeuge oft der Blick für den Gesamtablauf fehlt und die an sich richtigen Dinge zur falschen Zeit geschehen.
Sinnvolle Bildbearbeitung sollte einer gewissen Strategie folgen, damit man nicht zu einem falschen Zeitpunkt mühsam Fehler korrigieren muss, die weiter vorn im Arbeitsablauf ganz einfach zu beheben gewesen wären.
6.1 Bildanalyse
Es gibt eine ganze Reihe unzulässige Verallgemeinerungen darüber, was ein »gutes« Bild ist. Jedes Bild ist ein aber ein Einzelfall, und genauso individuell müssen auch die Behandlungsmethoden ausfallen. Trotzdem gibt es so etwas wie einen »Masterplan«, eine grundsätzliche Strategie, wie man sich einem Bild nähert.
Abbildung 6.1 Tageslichtfilm bei Kunstlicht oder falscher Weißabgleich
Abbildung 6.2 Blaustich oder Absicht?
Abbildung 6.3 Low-Key-Bild oder »abgesoffener« Vordergrund?
Ziel | Zunächst wäre zu entscheiden, wo man eigentlich hinwill: Ist das Bild grob fehlerhaft? Sind nur leichte Änderungen oder Optimierungen vorzunehmen? Oder könnte es sein, dass ein Bild vom Fotografen genau so gemeint ist und vielleicht nur der eigene Monitor falsch eingestellt ist? Unsicherheiten hinsichtlich des letztgenannten Aspekts lassen sich durch konsequentes Farbmanagement ausschließen (siehe Kapitel 7).
Manche Bilder sind augenfällig misslungen und haben einen unverkennbaren Farbstich, wie z. B. eine Aufnahme bei Kunstlicht mit einem Tageslichtfilm (Abbildung 6.1). Andere Aufnahmen empfinden wir als blaustichig (Abbildung 6.2). Aber soll die »Blaue Stunde« über den Bergen vielleicht genau so aussehen? Oder soll der Vordergrund in Abbildung 6.3 absichtlich dunkel sein? Auch kann die Vorgabe sein, ein Foto farblich in einen anderen Zusammenhang einzupassen, ihm einen ganz bestimmten »Look« zu geben.
6.1.1 Strategien bei der Bildbearbeitung
Das Wort »Strategie« klingt vielleicht etwas mächtig, aber es hilft sehr, wenn man sich über die einzelnen Arbeitsschritte hinaus einige grundsätzliche Gedanken zum generellen Arbeitsablauf macht.
Es ist z. B. beileibe nicht trivial, in welcher Reihenfolge bestimmte Schritte erfolgen. Oft erledigen sich einzelne Maßnahmen von selbst, wenn ein anderer Schritt vorgezogen wird. Umgekehrt kann die falsche Reihenfolge auch Probleme verursachen, die kaum lösbar sind und die letztlich die Qualität der Arbeit gefährden können. So beeinflusst z. B. eine Schärfung des Bildes die Tonwerte. Andererseits ist es kontraproduktiv, ein geschärftes Bild zu skalieren oder zu drehen, weil die meisten Transformationen erneut eine leichte Unschärfe ins Bild bringen und weil Schärfung sich meist auf eine bestimmte Bildgröße bezieht.
Grundsätzlich sollte man die großen, augenfälligen Bildpro-bleme zuerst behandeln. Basierend auf diesen Überlegungen und Erfahrungen lässt sich folgende Reihenfolge der Arbeitsschritte vorschlagen:
In 16 Bit umschalten |
Grundsätzlich sollte man am Beginn jeder Bildbearbeitung mit Bearbeiten • Modus • 16-Bit-Kanal in den 16-Bit-Modus wechseln, auch wenn das Bild nur 8 Bit Farbtiefe pro Kanal hat. Da am Anfang der Bearbeitung meist der Beschnitt und die Skalierung auf das Endmaß stattfinden, handelt es sich durch die komplette Neuberechnung aller Bilddaten jetzt um ein echtes 16-Bit-Bild. Der Bedarf an Speicher und Rechenleistung steigt dadurch zwar auf das Doppelte, alle Manipulationen, die die Farbwerte eines Pixels neu berechnen müssen, haben dadurch aber einen wesentlich größeren Wertebereich und eine sehr viel höhere Genauigkeit. Das gilt für das Beschneiden, wenn eine Zielgröße und/oder -auflösung angegeben wird oder die Perspektivoption aktiviert ist, und für alle geometrischen Transformationen wie Drehen, Skalieren, Verzerren, Scheren usw. Auch fast alle unter Bild • -Korrekturen genannten Manipulationen profitieren davon. Gleiches gilt für Filter wie Weich- und Scharfzeichner sowie für alle Filter, die in irgendeiner Form verzerren. |
1. Bildanalyse | Grundsätzliche Beurteilung der vorhandenen Bildqualität: Hier sollte geklärt werden, ob die Bildschärfe in Ordnung ist und ob der Ausschnitt stimmt. Weiter gibt der Blick auf das Histogramm klar Auskunft über den Tonwertumfang. Die Farbkanäle verraten ebenfalls viel über den Aufbau des Bildes und mögliche Schwächen. Ebenso sollten Bildstörungen beachtet werden: Fusseln und Kratzer, wenn das Bild vom Scanner stammt; Risse und Flecken, wenn das Original alt und/oder beschädigt war; Bildrauschen bei Digitalkameras oder Moiré, wenn gedruckte Originale gescannt wurden usw.
2. Bearbeitungsziel | Wo soll die Reise hingehen? Soll möglichst originalgetreu reproduziert werden? Soll sich das Bild am Ende vollkommen homogen in eine bestehende Fotostrecke eines Magazins einfügen? Oder soll das Bild Grundlage einer eher freien und sehr kreativen Bearbeitung sein?
3. Beschnitt und Montage | Dies sollte als erster praktischer Schritt erfolgen. Wenn ich z. B. das ganze Bild von Störungen wie Fusseln befreit habe und danach durch Beschneiden das neue Format definiere, war die Säuberungsarbeit für den abgeschnittenen Teil natürlich für die Katz. Hier sollte die definitive Größe und Auflösung des Bildes bereits im Vorfeld festgelegt worden sein. Speziell das Beschneiden des Bildes mit aktivierten Größen- und Auflösungsoptionen sowie das perspektivische Beschneiden produzieren durch die komplette Bildneuberechnung eine leichte Unschärfe und viele neue Tonwerte. An dieser Stelle kann eine Grundschärfung erfolgen, die Bezug auf die Herkunft des Bildes (Scan oder digital) und seine Originalgröße nimmt (siehe Kapitel 3).
4. Bildmontage | Auch das Montieren von Bildteilen sollte am Anfang geschehen, denn für alle damit zusammenhängenden Manipulationen unter Bearbeiten • Transformieren bzw. Bearbeiten • Frei transformieren gilt sinngemäß das Gleiche wie für das Freistellen. Außerdem sollten bei Bildmontagen Ebenen benutzt werden, um die maximale Freiheit in der Bearbeitung zu behalten.
5. Globale Farb- und Tonwertkorrektur | Nun geht es um die Beseitigung von Farbstichen, die Korrektur von Belichtungsfehlern und das Einpassen in eine bestimmte Farbstimmung, kurz, um die Korrektur des Gesamtbildes. Hier sollten im Sinne einer späteren Bearbeitbarkeit nur Einstellungsebenen mit den entsprechenden Korrekturwerkzeugen verwendet werden.
6. Retusche | Nun sollte retuschiert werden. Die diesbezüglichen Werkzeuge werden in Kapitel 4 ausführlich besprochen. Da erst die globale Tonwertkorrektur Fehler in sehr dunklen oder sehr hellen Bildbereichen sichtbar macht, sollte diese unbedingt vor der Retusche durchgeführt werden. Auch könnte manche Retusche kleinere Unsauberkeiten produzieren, die vielleicht nach einer Tonwertkorrektur plötzlich sichtbar werden.
TIPP |
Retusche vor der Tonwertkorrektur erfordert es manchmal, dass das Bild in besonders dunklen oder besonders hellen Bereichen repariert werden muss. Beides ist mühsam bis unmöglich. Andererseits treten hier Nachlässigkeiten nach Tonwertkorrekturen gnadenlos ans Tageslicht. In solchen Fällen hilft eine Einstellungsebene mit der später geplanten Korrektur. Man kann es hier sogar noch ein wenig übertreiben: Fällt diese Korrektur bereits wie gewünscht aus, lassen sich sowohl bei der Tonwertkorrektur als auch z. B. bei den Kurven die Einstellungen abspeichern. So kann man Fehler retuschieren, die vor der Tonwertkorrektur nicht sichtbar gewesen wären. |
7. Lokale Farb- und Tonwertkorrektur | Erst jetzt kümmert man sich um einzelne Fehlstellen wie zu blasse Hautstellen in Gesichtern oder die Schattenfarbe und -tiefe eines Gegenstands. Details an einer bestimmten Stelle benötigen vielleicht ein wenig mehr Kontrast als das Gesamtbild, oder ein Bildteil, der in einer Montage aus einem anderen Foto stammt, muss ein wenig gelber, blauer usw. sein, damit er ins Gesamtgefüge passt. Diese Dinge werden am besten ebenfalls mit Einstellungsebenen umgesetzt. Diese sind dabei in der Regel maskiert (siehe Kapitel 8).
8. Optimierung für die Ausgabe | Am Schluss ist es entscheidend, wie das Bild ausgegeben werden soll. Erst in diese Phase gehört das Schärfen eines Bildes. Da Schärfungen immer auf Pixel bezogen sind, muss man die gewünschte Ausgabeauflösung berücksichtigen: Bei der Druckausgabe mit z. B. 300 dpi muss man hier die Schrauben viel stärker anziehen als bei der Bildschirmausgabe mit 72 dpi.
Gleichzeitig ist hier sehr wichtig, ob das Bild ein RGB-Bild bleibt oder zum Druck in CMYK konvertiert wird. Mit + + oder über Ansicht • Farbumfang-Warnung sollte man dann überprüfen, ob alle vorkommenden Farben auch wirklich gedruckt werden können. Auch die Berücksichtigung von Farbprofilen kommt hier zum Tragen (zur Druckausgabe siehe Kapitel 12, zu Farbprofilen und Farbmanagement siehe Kapitel 7).
Diese Abfolge muss man nicht immer penibel einhalten, dafür ist Bildmaterial einfach zu vielfältig. Wenn man ein arg verrauschtes Foto aus einer Digitalkamera erhält, wird man z. B. früher zu Schärfung und Rauschbekämpfung greifen müssen als erst unmittelbar vor der Ausgabe. Als Vorschlag ist die genannte Bearbeitungsreihenfolge aber eine gute Richtschnur. Ein detailliertes praktisches Beispiel, das sich in etwa an diesen Ablauf hält, finden Sie in Kapitel 4, »Retusche«.
6.1.2 Welchen Farbmodus verwenden?
Ein weiterer Aspekt bei der Planung der Arbeitsweise ist der Farbmodus, in dem das zu bearbeitende Bild vorliegt. Es funktionieren zwar praktisch alle Werkzeuge zur Farb- und Tonwertkorrektur für alle Farbmodi, aber nicht alle diese Methoden sind für alle Modi gleich gut brauchbar.
So ist z. B. die Selektive Farbkorrektur für CMYK-Bilder sehr viel besser geeignet als für RGB-Bilder, während Farbton/Sättigung besonders gut im Lab-Modus funktioniert. Ähnliches gilt für Tiefen/Lichter, das bei RGB und Lab gut greift, aber z. B. im CMYK-Modus bei identischen Einstellungen signifikant deutlich andere Ergebnisse liefert.
Auch arbeiten manche Funktionen in verschiedenen Modi grundsätzlich anders. Die Gradationskurven zeigen z. B. in den beiden Farbkanälen bei Lab ein komplett anderes Verhalten als in den Farbkanälen des RGB-Modus. Die Reihe der Beispiele lässt sich noch lange fortsetzen und zeigt, dass hier Probieren Pflicht ist und das Anpassen des Workflows an das eigene typische Bildmaterial später viele Arbeitsschritte spart.
6.1.3 Beurteilung von Farbe und Helligkeit
Bevor die einzelnen Bearbeitungsmethoden der Farbkorrektur besprochen werden, sei auf Grundsätzliches zur Beurteilung hingewiesen: Wir sehen Farbe und Helligkeit getrennt. Die Physiologie des menschlichen Auges sorgt mit Hilfe von »Stäbchen« und »Zäpfchen« dafür, dass beide Parameter getrennt aufgenommen und verarbeitet und erst im Gehirn zu einem kompletten Sinneseindruck verrechnet werden. Das Helligkeitssehen mit den 120 Millionen Stäbchen-Zellen der Netzhaut ist wegen der großen Anzahl der Rezeptoren vor allem für die Bildschärfe zuständig. Die »nur« etwa 6 Millionen wesentlich größeren Zäpfchen-Zellen sind für das Farbsehen zuständig.
TIPP |
Wenn man lange an einem Bild arbeitet, kann sich so etwas wie Betriebsblindheit einstellen. Hier hilft ein wenig Distanz: Am besten, man lässt etwas Zeit ins Land gehen, bevor man das Bild abschließend bearbeitet. Auch der wiederholte Vergleich zwischen Original und aktuellem Zustand hilft oftmals mehr, als man glauben mag! |
Die Tatsache, dass Farbinformationen deshalb wesentlich un-schärfer sind, machen sich diverse Bildbe- und -verarbeitungstechniken zunutze. Bei Fernsehsignalen wird so z. B. für die Farbe teilweise massiv Übertragungsbandbreite eingespart.
Histogramm-Palette
Im Histogramm werden bei Bearbeitungen unter Fenster • Histogramm auch Vorher-nachher-Histogramme angezeigt, die sehr aufschlussreich sind (grau: vorher, schwarz: nachher).
Gerade bei Tonwert- und Farbkorrekturen sollte dieses Fenster immer offen und zu sehen sein – auch dies übrigens ein Argument für einen zweiten Monitor.
Abbildung 6.4 Die Histogramm-Palette mit dem Vorher-nachher-Histogramm
Die Zäpfchen sind zudem wesentlich weniger lichtempfindlich. Das sorgt dafür, dass »nachts alle Katzen grau« sind, bedeutet aber auch, dass die Helligkeit am Arbeitsplatz des Grafikers wichtig für die Farbbeurteilung ist (siehe Kapitel 7, »Farbmanagement«).
Bei der Bildbearbeitung mit Photoshop, besonders bei Tonwert- und Farbkorrekturen, spielen die Umstände unseres Sehens eine große Rolle. Die standardmäßige Bildbearbeitung mit RGB-Farben hat nämlich den großen Nachteil, dass sie dem kaum Rechnung trägt, während die Manipulationen in Lab das Bild in die gleichen Wahrnehmungskomponenten aufteilt wie das Auge: in Helligkeit (Luminanz, L) und die zwei Farbkanäle a und B.
Eine Helligkeitskorrektur in RGB beeinflusst immer zwangsläufig alle drei Farbkanäle, während bei der gleichen Korrektur in Lab die Farben in Ton und Sättigung unangetastet bleiben. Es kann also gerade für Bildmaterial, bei dem die Farbmanipulation sehr heikel oder die Farbcharakteristik bereits von Anfang an gut und daher zu erhalten ist, sehr sinnvoll sein, von RGB nach Lab zu wechseln. Auch lassen sich die ersten Korrekturen bezüglich Helligkeit und Gesamtcharakteristik oft leichter beurteilen, wenn man im Lab-Modus die beiden Farbkomponenten a und b in der Kanäle-Palette unsichtbar macht und das Bild zunächst als (korrekt dargestelltes) Graustufenbild bewertet und bearbeitet (zum Arbeiten in Lab siehe Abschnitt 6.11).
6.1.4 Bildtypen
Vor der Bildbearbeitung kann man Bilder grob in drei Kategorien einteilen, was ihren Tonwertcharakter angeht:
Low-Key-Bilder bestehen mehrheitlich aus mittleren bis dunklen Tonwerten.
Abbildung 6.5 Low-Key-Bild mit Histogramm
© iStockphoto
Mid-Key-Bilder haben eine eher ausgewogene Charakteristik und ein Histogramm mit Mittenbetonung und mehr oder weniger ausgeprägte, aber gleichmäßig verteilte Spitzen.
Abbildung 6.6 Mid-Key-Bild mit Histogramm
High-Key-Bilder haben das »Tonwertgebirge« mit klarem Gewicht auf der rechten Seite.
Abbildung 6.7 High-Key-Bild mit Histogramm
© pixelio.de
Grundsätzlich muss man beurteilen, ob die vorliegende Charakteristik ein zu korrigierender Fehler oder gewollt ist. Allzu schematische oder auch automatische Korrekturen können den Bildeindruck verfälschen oder sogar komplett zerstören.
Abbildung 6.8 Bild mit Tonwertkorrektur im Modus Auto
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