4 Website planen
Ob Wasserfallmodell oder agiles Websiteprojekt – eine vorausschauende Planung, ein lückenloses Konzept und Checklisten helfen bei der reibungslosen Umsetzung und vermeiden Missverständnisse zwischen Auftraggeber und Webentwickler.
Nachdem Sie alle technischen Voraussetzungen geschaffen haben, um Ihre Website mit Joomla! aufzubauen, geht es ans Reißbrett. Denn wie bei vielen konzeptionellen und technischen Themen hilft es auch bei Websites, sich erst mal hinzusetzen und sich Gedanken über das bevorstehende Unterfangen zu machen. Das heißt nicht, dass Sie nicht jederzeit Ihre Entwicklungsumgebung anwerfen dürfen, um mit dem Content-Management-System zu experimentieren; im Gegenteil: Das ist ein idealer und kurzweiliger Weg, praktische Erfahrungen zu sammeln, und der Beginn jedes Prototyping-Ansatzes. Oft ist aber ratsam, sich einen Plan zurechtzulegen, um nicht hoffnungslos im Dunkeln herumzustochern. Erst wenn Sie die Anforderungen an eine Website kennen, wissen Sie, wie die Feature-Liste für das CMS aussieht.
Noch relevanter ist die Planung, wenn Sie in einem Team arbeiten. Erfolgte die Aufnahme der Anforderungen unvollständig, müssen Designer und Entwickler Annahmen machen, die zu falschen Umsetzungen führen können. Oder sie fragen immer wieder nach, wodurch ein zeitaufwendiger Kommunikations-Overhead entsteht. Die Projektplanung wird undurchschaubar, Aufwände unschätzbar, Timings unvorhersehbar. Insgesamt kostet dann alles mehr Zeit und Geld.
Dieses Kapitel beschäftigt sich deshalb mit verschiedenen Aspekten der Planung – von der Anforderungssammlung (Requirements Engineering) über verschiedene Implementierungsansätze, das Design, die Umsetzung bis zum Testen und dem Go-Live. Am Ende halten Sie ein fertiges Websitekonzept in der Hand, idealerweise sogar mit einer Sitemap, einer detaillierten Aufstellung der Inhalte, die Sie im Internet präsentieren werden. Solche Helfer am Start zu haben erleichtert und beschleunigt die spätere Implementierung und hilft, Extraaufwand oder -arbeit zu vermeiden. Abgesehen davon beflügelt eine Planung abseits des Arbeitsrechners, sei es mit einem Notizblock im Biergarten oder mit Whiteboard und Kreativkollegen in einem abgeschlossenen Meetingraum, die Kreativität – sowohl für die fachlichen Funktionalitäten als auch die technische Umsetzung.
Bevor Sie die Details Ihres Websitekonzepts ausarbeiten, ist es ratsam, sich über die Herangehensweise Gedanken zu machen. Natürlich juckt es unter den Fingernägeln, Joomla!, die neue Software, sofort auszuprobieren, aber Ihre Zeit ist kostbar. Eine vernünftige Planung spart nicht nur Zeit, sondern auch Frustration, insbesondere wenn es später Anforderungsänderungen gibt. In diesem Abschnitt lernen Sie, wer solche Änderungen überhaupt einreichen darf. Und wann. Denn kurz vor dem Go-Live einen völlig neu gestalteten Social-Media-Kasten auf der Homepage einzubauen gefährdet das Timing und hat möglicherweise unvorhersehbare Auswirkungen auf die gesamte Website.
Es ist unumstritten, dass eine gute Vorbereitung die Erfolgsaussichten vergrößert, egal um welches Thema es geht. Doch auch bei dieser Vorbereitung gibt es verschiedene Ausbaustufen, die davon abhängen, wie viel sich überhaupt planen lässt. Ein Websiteplan, in dem jedes Detail und jeder Handgriff fix ist und ausformuliert wurde, lässt sich ausgesprochen einfach umsetzen und timen. Man spricht hier vom Wasserfallmodell, da alle Planungs- und Implementierungsphasen nacheinander folgen und auf der jeweils vorhergehenden Phase aufbauen (siehe Abbildung 4.1). Eine strikte Planung ist hier entscheidend: Die Aspekte der Website werden im Lastenheft bis ins kleinste Detail beschrieben – bis hin zu Pixelzahlen für Abstände und dem exakten Wortlaut der Formularfehlermeldungen. Daraus entsteht das Pflichtenheft, das die Umsetzung aus Entwicklersicht beschreibt.
Die strikten Voraussetzungen des Wasserfallmodells sind jedoch nicht immer gegeben oder gar erwünscht. Nicht erst seit Einführung japanischer Projektmanagementkonzepte aus der Automobilindustrie, sondern auch aus dem täglichen Leben weiß man, dass bestimmte Themen mehr Spielraum und eine größere Planungsflexibilität erfordern. Stellen Sie sich einen bis auf die letzte Minute durchgetakteten Rummelbesuch vor – um Gottes willen. Oder den Unterschied zwischen einem französischen und einem wilden Garten. Bei Letzterem entscheiden Sie vielleicht ad hoc nach dem Anpflanzen der Kletterrosen, dass da eine Hängematte ganz gut danebenpassen würde. Das ist agile Entwicklung, die nach dem Prinzip »Kleine, verdauliche Häppchen, bis alle Beteiligten satt sind« funktioniert.
Ganz unbewusst arbeitet und lebt jeder irgendwie agil, aber erst in den letzten Jahren wurde ein offizieller Stempel daraufgesetzt und in moderne Projektmanagementkonzepte wie SCRUM oder Kanban gegossen. Diese Konzepte akzeptieren die Probleme später Contentlieferungen, neuer Feature-Wünsche und Designänderungen in letzter Minute und verwandeln sie in Vorteile: Kunden sind zwar in der Pflicht, sich intensiver mit der aktuellen Websiteumsetzung zu beschäftigen, dürfen aber jederzeit Feedback geben und die Anforderungen weiterdefinieren. Entwickler müssen in der Konzeptionsphase nicht zu tief in die Vorleistung gehen und können auch spät im Projekt andere Technologien einsetzen, wenn sie merken, dass aufs falsche Pferd gesetzt wurde. Davon profitiert wiederum der Auftraggeber, da die Implementierung dem neuesten Stand der Technik entspricht und die Qualität der Website steigt. In sogenannten Iterationen oder Sprints wächst die Website Stück für Stück, und man setzt sich regelmäßig zurück ans Reißbrett, um das weitere Fortgehen abzusprechen (siehe Abbildung 4.2).
Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Natürlich ist der Content zu Beginn der Umsetzung noch nicht fertiggestellt, sondern tröpfelt erst mit der Zeit ein. Und wenn sich eine Joomla!-Erweiterung erst sehr spät als fehlerbehaftet herausstellt, dann sucht man eben eine neue. Auf der anderen Seite hilft es, zu Beginn möglichst exakte Anforderungen an der Hand zu haben (Lastenheft), schon allein aus der Idee heraus, dass sich alle Beteiligten intensiv mit dem Projekt auseinandersetzen und problematische Missverständnisse früh geklärt werden. In der Realität macht es also Sinn, sich in der Mitte zu treffen. Grundsätzliche Features werden bis zu einem bestimmten Detailgrad definiert, behalten aber nach hinten heraus genügend Flexibilität für ein späteres Finetuning.
Für die einzelnen Webmaster und Entwickler heißt das: sich am Anfang über die Zielgruppe im Klaren zu sein. Feature-Ideen zu sammeln und zu prüfen, ob und in welchem Rahmen sie umsetzbar sind. Früh mit Erweiterungen zu experimentieren, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Und die Website als ein wachsendes Projekt zu sehen, das auch nach dem Go-Live weiterentwickelt wird, um sich den ändernden Ansprüchen der Websitebesucher anzupassen.
Hintergrund: Wer macht was?
Wenn es um die Entwicklung einer Website geht, ist, abhängig von der Größe des Projekts, eine überraschend große Anzahl von Leuten beteiligt: Kunde, Projektmanager beim Kunden, eigener Projektmanager, Konzepter, Designer, Frontend-Entwickler, Backend-Entwickler und Redakteur (Contentpflege). Jeder dieser Teilnehmer (englisch: Stakeholder) hat ein eigenes Interesse und Ziel an der Projektarbeit. Darum ist es wichtig, von vornherein die Rollen, die Aufgaben und Pflichten klar zu beschreiben. Als Definition-of-done (DOD) bezeichnet man die Abgrenzung von einer Person, von einem Gewerk zum nächsten. Sicher ist das Feedback der anderen wichtig; so kann ein Frontend-Entwickler dem Konzepter und Designer wichtige Aspekte der Benutzerbedienung zutragen. Aber vor allen Dingen muss klar sein, wer die endgültigen Entscheidungen trifft. Und zwar für jeden einzelnen Aspekt.
In Agenturen sind die gelisteten Rollen meist individuellen Personen zugeordnet. Ist das Projekt kleiner, lassen sich diese Rollen zusammenlegen. So kennen sich Backend-Entwickler häufig auch mit Frontend-Programmierung aus. Konzept und Design arbeiten häufig sehr eng miteinander. Und auch eine One-Man-Show ist bei der Entwicklung von Websites möglich, die Bandbreite der Tätigkeiten erfordert dann aber ein echtes Multitalent. Als einzelner Webentwickler sollte man nicht nur sein (technisches) Fach gut beherrschen, sondern muss auch im Rahmen des Projektmanagements Zähne zeigen. Am wichtigsten sind: sich niemals herunterhandeln lassen (»Mein Neffe kann auch Frontpage.«) und Absprachen schriftlich festhalten. Tipp: Für anspruchsvolle Designs ist man gut beraten, sich einen kreativen Partner aus dem Designbereich zu suchen.
4.1 Anforderungen sammeln
Der erste Schritt vor der Entwicklung einer Website ist das Abklopfen der Rahmenbedingungen, die die Aspekte der neuen Internetpräsenz beeinflussen. Welche Inhalte werden präsentiert? Welche Features sind untergebracht? Wie sieht die Website aus? Wer bei Projektstart die Anforderungen lückenlos sammelt, vermeidet zum Ende des Projekts, wenn es an die Abnahme geht, Missverständnisse und sichert das Umsetzungstiming. Denn wusste der Projektmanager, dass die nachträgliche Umstellung der Website von ein- auf mehrsprachig doppelten Contentpflege-Aufwand bedeutet? Oder dass die späte Lieferung von Content Auswirkungen auf die Templateprogrammierung hat? All diese Aspekte werden im Briefing eingeholt und in ein Websitekonzept übernommen.
Achtung: Scope vs. Out-of-scope
Im Rahmen des Anforderungsmanagements ist es wichtig, klare Linien zwischen Funktionalitäten zu ziehen, die umgesetzt werden (Scope), und denen, die nicht Teil des zu entwickelnden Pakets sind (Out-of-scope). Meist genügt ein detailliertes Pflichtenheft, in dem der Webprogrammierer oder die Agentur die zu erledigenden Arbeiten detailliert auflistet und vom Aufraggeber abnehmen lässt. In seltenen Fällen wird aber auch schriftlich festgehalten, was nicht zur Umsetzung zählt. Beispiel: Im Reiseforum werden topaktuelle Flugangebote in einer Sidebox dargestellt. Also nur angezeigt, denn ein Bestellen-Button ist out-of-scope. Die Erwähnung ist wichtig, da auf Kundenseite manche Funktion als implizit, natürlicher Bestandteil des Features wahrgenommen wird. Auf Umsetzungsseite ist man aber anderer Ansicht, denn die Implementierung solch eines Buttons ist mit erheblichem Mehraufwand im Vergleich zur bloßen Anzeige der Daten verbunden.
Im Briefing treffen sich Auftraggeber und -nehmer, um die Anforderungen abzustecken. Pflicht des Auftraggebers ist es, die Idee, das Produkt, die Vision vorzustellen. Der Webentwickler dagegen stellt gezielte Fragen, um diese Vorstellungen zu verstehen und früh Ideen zu entwickeln, wie sich das Erfragte möglichst wirtschaftlich umsetzen lässt. Das Briefing kann deshalb auch ein Dialog werden, ein Workshop, zur gemeinsamen Erörterung einer möglichst attraktiven und dennoch bezahlbaren Websitelösung.
Zu den wichtigsten Fragen gehören:
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Was ist das Ziel der Website?
Handelt es sich um einen Online-Shop? Einen Treffpunkt für den regionalen Badminton-Club? Eine Promotionaktion für ein bestimmtes Produkt? Daraus resultieren Entscheidungen für das Design, die Contentaufbereitung und die technische Umsetzung. Für Joomla! gibt es beispielsweise umfangreiche Erweiterungen, die funktionale Aspekte einer Online-Community vereinen, oder in Windeseile einen ausgewachsenen Shop integrieren. Bevor später verschiedene Erweiterungen ausprobiert werden, hilft es also vorher, klar abzustecken, was eigentlich benötigt wird. Untergliedern Sie diese Liste dann in Must-haves, Should-haves und Could-haves (notwendige Funktionen, empfehlenswerte und optionale).Falls es sich nicht um Ihre eigene Website handelt, folgert daraus die Frage: Was ist das Ziel des Auftraggebers? Das erweiterte Verständnis der Bedürfnisse des Kunden hilft bei der Abwägung von Entscheidungen und inspiriert zu Ideen, die er bei seiner Planung wahrscheinlich auch noch nicht hatte. Lernen Sie die Marke (englisch: Brand) kennen. Welche Philosophie steckt dahinter? Wie wirkt die Marke nach außen? Denn die Website will sich schließlich nicht von den Marken-Guidelines entfernen. Oder vielleicht, absichtlich, doch?
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Wer ist die Zielgruppe?
Die Zielgruppe zu kennen hilft bei künftigen Entscheidungen sowohl gestalterischer als auch inhaltlicher Natur. Ist die Zielgruppe technikaffin? Eher junge oder alte Menschen? Benutzen sie Smartphones und Tablets? Die Antworten auf diese Fragen wirken sich z. B. auf Schriftgrößen und Anzahl und Betitelung der Menüpunkte aus. Nebenbei klären Sie damit, welche Inhalte besonders wertvoll sind und bevorzugt, vielleicht auf einer plakativen Bühne, bereitgestellt werden.
Nach diesen Kernfragen folgen speziellere Themen, hier einige Inspirationen:
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Wie steht die Konkurrenz im Internet da? (Bitten Sie um eine Liste der Websites der Mitbewerber.)
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Was sind die Unique Selling Points (USPs) des Auftraggebers?
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Welche Erfahrung machte man mit der alten Website?
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Wie viele Websitebesucher werden erwartet?
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Wie hoch ist der Anteil an Tablet- und Smartphone-Besuchern? (Denn die Website wird sicher in Responsive Design gestaltet.)
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Welche Browser verwenden die Besucher?
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Ist das eine ausschließlich deutschsprachige Website? Sind irgendwann weitere Sprachen geplant? Auch nicht in zwei Jahren?
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Wie erfolgreich war die bisherige Website aus Marketingsicht?
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Wer ist verantwortlich für die zukünftige Wartung der Website?
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Gibt es andere Medien, die mit der Website verknüpft sind? Zum Beispiel eine Verzahnung mit Werbeaktionen.
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Wie hoch ist das Budget für die Entwicklung und später für die Wartung der Website?
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Gibt es Guidelines/Styleguides für die Marke?
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Wer pflegt die Inhalte ein? Initial und später im Tagesgeschäft?
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Müssen Bilder und andere Medien aufbereitet werden?
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Ein Eventkalender? Wie soll der aussehen?
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Gibt es bereits einen Vertrag mit einem Webhoster? Wurden Domains registriert? (Lassen Sie sich alle technischen Details der Hosting-Umgebung geben.)
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Wie sieht das Social-Media-Umfeld der Dienstleistung/des Produkts aus? Facebook, Twitter, XING etc.
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Gibt es einen Partner, der sich um SEM/SEO-Themen kümmert?
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Gibt es bestehende Werbeverträge (Google AdWords) oder Affiliate- Marketing-Pläne?
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Ist ein regelmäßiger Newsletter geplant? Nur Text oder HTML mit Bildern?
Mit diesem Fragenkatalog sind Sie bestens gewappnet für ein ausführliches Briefing. Weitere Fragen werden sich aus dem Gespräch ergeben. Der Trick ist, sich möglichst stark in den Auftraggeber hineinzuversetzen und das Ziel und die Motivation zu erkennen und das dann in ein Websitekonzept zu übersetzen. Bei besonders umfangreichen Briefings schreiben Sie, noch vor der Konzepterstellung, ein Dokument zusammen, in dem Sie das aus dem Briefing Gelernte aus Ihrer Sicht zusammenfassen: das Rebriefing. Das ist ein weiterer Schritt zur Vermeidung von Missverständnissen und Gestaltung einer kreativen Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Webentwickler.