1.4
Aufgaben und Rollen

Wie im vorherigen Abschnitt bereits gesagt wurde, hat sich die Aufgabe eines Servers im Laufe der letzten Jahre deutlich geändert: weg von einer Art »Netzwerkfestplatte mit Benutzerverwaltung und Druckfunktion« hin zu einer Applikationsplattform, auf der viele verschiedene Dienste bereitgestellt werden. Natürlich stellt der Server weiterhin Dateidienste, Druckdienste und das Active Directory (AD) für die Benutzerverwaltung (wobei auch die nur ein kleiner Teil des ADs ist) zur Verfügung, mittlerweile gehören aber eine Vielzahl von anderen Funktionen dazu.
Hinweis
Windows Server 2012/R2 ist vom grundlegenden Design seinem direkten Vorgänger, also Server 2008 R2, sehr ähnlich. Daher gilt das hier Gesagte im Grunde genommen für die Server ab einschließlich 2008.
Zu den Designzielen seit Windows Server 2008 (und damit auch zu den Designzielen der Serverbetriebssysteme 2012 und 2012 R2) gehört es, dass er sehr »selektiv« zu installieren ist. Das heißt, Sie können genau festlegen, was der einzelne Server für Aufgaben erfüllen soll.
Bereits in Windows Server 2003 hat das Installationsprogramm nicht mehr sämtliche verfügbaren Optionen installiert. Stattdessen musste der Administrator dann diejenigen hinzufügen, die er nutzen nutzen wollte. Bei Windows Server 2008/2012 ist die Abstufung nochmals verfeinert worden. Man kann dies recht gut am Beispiel des Internet Information Servers (IIS) erläutern: Bei IIS ist nicht mehr die Frage, ob Sie ihn überhaupt installieren möchten, sondern welche Komponenten dieses Produkts verfügbar sein sollen. Zur Auswahl stehen ungefähr 40 »Einzelteile«, die Sie je nach Ihrem individuellen Bedarf hinzufügen können. So schaffen Sie ein System, das genau das kann, was Sie benötigen – und nicht zu viel! In der Vergangenheit hat sich nämlich immer wieder gezeigt, dass gerade die nicht benötigten Funktionen, von denen Administratoren gar nicht so genau wussten, dass sie überhaupt installiert waren, die Sicherheitslücken darstellten.
In Abbildung 1.10 sehen Sie, dass jede Rolle separat installiert wird. Es gibt keine Funktionen, die »einfach so« vorhanden sind.
Abbildung 1.10 Im Server-Manager werden die installierten Rollen gezeigt; jede Rolle wird dediziert installiert.
1.4.1
Rollen


Die installierbaren Rollen sind in Abbildung 1.11 zu sehen. Unter Rollen versteht man die »großen Funktionsbereiche«, die ein Server übernehmen kann. Er ist beispielsweise ein Remotedesktop-Sitzungshost, ein Dateiserver, ein Druckserver oder ein Active Directory-Domänencontroller.
Abbildung 1.11 Die installierbaren Rollen von Windows Server 2012
Den größten Teil dieser Rollen hat es zwar bereits bei den frühen Vorgängerversionen von Windows Server 2008/2012 (R2) gegeben, allerdings ist diese Sichtweise auf das System neu. Wie bereits erwähnt wurde, bestehen die meisten Rollen ebenfalls aus vielen kleinen Bausteinen, die Sie ganz nach Bedarf installieren können. Ich hatte zuvor als Beispiel bereits den Internet Information Server genannt: In Abbildung 1.12 sehen Sie nun die Komponenten, aus denen Sie bei der Installation des IIS auswählen können. Diese werden als Rollendienste bezeichnet und können jederzeit, also sobald sie tatsächlich benötigt werden, einzeln nachinstalliert werden.
Abbildung 1.12 Die Rollendienste (Komponenten) der Rolle »Webserver«
1.4.2
Features


Neben den Rollen existieren 52 Features. Diese Features ergänzen die Rollen um bestimmte Funktionen. Zwei Beispiele:
- Wenn Sie einen Fileserver betreiben möchten, installieren Sie natürlich die Rolle
Dateidienste – das ist einleuchtend. Wenn Sie diesen Fileserver in einem Cluster betreiben möchten,
installieren Sie das Feature Failover-Clusterunterstützung. Eine Rolle Failover-Clusterunterstützung würde nicht viel Sinn machen, denn ein Cluster ohne weitere Funktionen bringt zunächst
nichts.
Abbildung 1.13 Die 42 Features eines Windows Server 2012 der Enterprise Edition
- Wenn Sie ein SAN Storage-System (SAN = Storage Area Network) betreiben, das über mehrere Pfade erreichbar ist, fügen Sie das Feature Multipfad-E/A hinzu. Mit diesem Feature können Sie Server mit den unterschiedlichen Rollen um diese im SAN elementare Funktion erweitern. Verständlicherweise ist dies keine Rolle – was für einen Sinn würde auch ein Server mit einer einzigen Rolle »Multipfad-E/A« machen?
In Abbildung 1.13 sind die installierbaren Features eines Windows Server 2012 aufgeführt. Die Funktion vieler Features erschließt sich bereits aus deren Namen, ansonsten wird eine kurze Beschreibung des angewählten Features eingeblendet.
Glücklicherweise sorgt der Installationsassistent dafür, dass bei der Installation einer Rolle die benötigten Features automatisch mitinstalliert werden. Wenn Sie den IIS installieren, wird beispielsweise automatisch das Feature Windows Activation Service mitinstalliert. Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen, dass die Installation einer Rolle dadurch erschwert wird, dass Sie erst stundenlang Dokumentationen wälzen müssen, um herauszufinden, welche Features vorab installiert werden müssen.
1.4.3
Zusammenspiel mit anderen Microsoft-Produkten

Windows Server kann allein zwar schon eine Menge leisten, er dient aber auch als Grundlage für viele Applikationsserver, die einerseits schlicht und ergreifend ein Betriebssystem benötigen, andererseits auch von den erweiterten Fähigkeiten von Windows Server 2012 profitieren. Abbildung 1.14 zeigt einen grob vereinfachten Überblick über Produkte und Technologien, die sich in einer modernen IT-Umgebung finden:
- Die Basis für die Applikationsserver ist das Windows-Betriebssystem. Im Serverbereich ist das Windows Server 2012, im Client-Umfeld Windows 8.1.
- Viele Applikationsserver nutzen für das Speichern von Daten den SQL Server, zu nennen wäre hier beispielsweise SharePoint. Auch betriebswirtschaftliche Softwarepakete (wie SAP oder Navision) nutzen den Datenbankserver.
- Die Serverprodukte, die im weiteren Sinne dem Segment Business Productivity zuzuordnen sind, sind in der »Generation 2013«:
- Exchange Server bedient klassisches Messaging (Mail, Kalender, Kontakte etc.) sowie ab der Version 2007 auch Unified Messaging (Voicemail, Faxempfang).
- Lync, Office Communication Server unterstützt alle Aspekte der Echtzeitkommunikation. Hierin enthalten sind beispielsweise Presence, Voice-Kommunikation oder Video-Kommunikation.
- SharePoint besteht aus zwei Produkten, nämlich aus der SharePoint Foundation und aus dem SharePoint Server (vormals: SharePoint Portal Server). SharePoint unterstützt sämtliche Aspekte des Umgangs mit Informationen (Speichern, Bereitstellen, Suchen/Finden, Integration und Konsolidierung von Informationen).
- Forms Server ist in der Lage, beliebige Formulare als HTML darzustellen, Eingaben entgegenzunehmen und weiterzuleiten.
- Project Server unterstützt das zentrale Management von mehreren gleichzeitigen Projekten. Insbesondere lässt sich auch die Verwaltung von Ressourcen, die in mehreren Projekten benötigt werden, optimal realisieren.
- Groove wird zwar nicht mehr aktiv gepflegt, ist aber dennoch wert, erwähnt zu werden. Es handelte sich dabei um eine Kollaborationslösung, die aber als Produkt neben SharePoint nie wirklich Verbreitung gefunden hat.
Abbildung 1.14 Produkte und Technologien, die sich in einer modernen IT-Umgebung finden
- Da die IT-gestützte Abbildung von Geschäftsprozessen zunehmend wichtig ist, kommen zwei Produkte zum Einsatz, nämlich Windows Workflow Foundation und BizTalk-Server. BizTalk-Server kann durch mittlerweile viele erhältliche Konnektoren Daten mit Enterprise-Systemen wie SAP oder Siebel austauschen.
- Ein großer Teil der Unternehmensdaten ist in ERP-Systemen, wie beispielsweise SAP, gespeichert.
- Obwohl Filesysteme zur Ablage von Dokumenten nicht optimal sind, sind sie nach wie vor Normalität in den Unternehmen.
Neben den genannten Basisprodukten, bei denen ich das Betriebssystem und den Datenbankserver einordne, und den Applikationsservern gibt es diverse Technologien, die entweder aus technischen oder organisatorischen bzw. rechtlichen Gründen zum Einsatz kommen, beispielsweise:
- Active Directory zur Verwaltung sämtlicher Benutzerkonten, Computer, Server etc.
- Public Key Infrastructure (PKI): Zertifikate werden zunehmend wichtig.
- Access: Dies meint den Zugriff auf die Ressourcen von außen (insbesondere über Mobilgeräte) und Niederlassungen.
- Archiv: Mittlerweile schreibt der Gesetzgeber vor, dass steuerrelevante Informationen archiviert werden müssen.
- Management: In diesem Bereich bietet Microsoft das Produkt System Center Operations Manager SCOM) an, mit dem eine regelbasierte Überwachung von Servern (Betriebssystem und Applikation) realisiert werden kann.
Sie sehen also, dass die IT-Gesamtlandschaft ein ziemlich komplexes Szenario ist. Und Windows Server 2012 stellt die Grundlagentechnologien bereit.
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