1 Was ist neu in Photoshop CS2?
Adobes Industriestandard geht mit Photoshop CS2 in die neunte Runde. Dass den Machern von altgedienten und bewährten Programmen wie Photoshop noch immer interessante, nützliche oder gar spektakuläre Neuerungen einfallen, zeigt die neue Version dieses Bildbearbeitungsklassikers.
Nur wenige Programme haben eine derart lange Geschichte wie Adobe Photoshop. Die neun Versionen haben einen maßgeblichen Anteil an der Entwicklung von elektronischer Bildbearbeitung und Desktop-Publishing. Seit Ende der 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts, als Thomas Knoll gemeinsam mit seinem Bruder John die ersten Apple-Macintosh-Rechner Bilddarstellung und -bearbeitung lehrte und schließlich den Ur-Photoshop bei Adobe untergebracht hat, ist viel Zeit ins Computerland gegangen.
Thomas Knoll steht nach über 20 Jahren noch immer an erster Stelle der Photoshop-Creditbox. John Knoll hat sich später den bewegten Bildern zugewandt und für die Special Effects zahlreicher Hollywoodstreifen, wie der »Star Wars«-Reihe, »Star Trek«, »Mission Impossible« u. a. verantwortlich gezeichnet.
Ursprünglich wurde Photoshop nur für den Mac entwickelt, der ja von Anfang an ein Betriebssystem mit grafischer Oberfläche war. Als Microsofts DOS dann mit Windows endlich zumindest auf der Oberfläche der Kommandozeilen-Welt entwachsen war, wurde es auch reif für Photoshop. 1993 wurde mit der Version 2.5 das erste Windows-Release präsentiert. Das Kernfeature der Bildbearbeitung in Ebenen gibt es seit der Version 3. Ab der Version 4, seit Mitte der 90er-Jahre, hat sich Photoshop neben seiner amtlichen Stellung als Bildbearbeitungswerkzeug im Desktop-Publishing immer mehr auch in Richtung Bildkreationswerkzeug für Web- und Multimedia-Designer entwickelt. Mittlerweile gibt es in der produzierenden Medienbranche keinen Bereich mehr, der nicht auf irgendeine Weise mit Photoshop zu tun hat.
Abbildung 1.1 »Space Monkey«, der Arbeitstitel der Betaversion von Photoshop CS2
Photoshop 9, oder als Bestandteil der neuen Creative Suite 2 CS2, bringt neben einigen technischen Neuerungen vor allem neue Werkzeuge und Verbesserungen, die zum einen dem Workflow dienen und zum anderen der noch besseren Integration mit den anderen Programmen der Adobe-Palette: Illustrator, InDesign, GoLive und Acrobat. Dass angesichts der langen Geschichte ein Programm derart ausgereift ist, wundert eigentlich kaum. Trotzdem gelingt es dem Adobe-Team immer wieder, bei jeder neuen Version »Wow«–Features zu bringen, mit der aktuellen Version jetzt z. B. das Fluchtpunkt-Werkzeug, mit dem man perspektivisch korrekt retuschieren kann, oder das Bereichsreparatur-Pinsel-Werkzeug, der wie der altbekannte Stempel funktionieren soll, nur dass er nun die Umgebung selbstständig nach brauchbaren Flecken zum Zudecken einer Fehlstelle absucht.
1.1 Workflow-Neuerungen 

Eine ganze Reihe der neuen Photoshop-Features betrifft den Workflow, sei es innerhalb von Photoshop, sei es zwischen den Programmen der Creative Suite oder anderen.
1.1.1 Magnetische Hilfslinien 

Diese neuen, »intelligenten« Hilfslinien zeigen während der Bewegung einer Ebene alle Bündigkeiten mit den Mitten und Rändern von Objekten anderer Ebenen an. Etwas z. B. zentriert oder linksbündig zu anderen Objekten in einer Datei anzuordnen, ist nun sehr viel einfacher geworden. Früher musste man zu diesem Zweck Hilfslinien aus den Linealen ziehen und an den Rändern oder Mitten von Ebenen einrasten zu lassen. Zudem musste dafür auch immer die Arbeitsebene gewechselt werden. Die magnetischen Hilfslinien sind vor allem eine große Arbeitserleichterung für Screendesigner.
Abbildung 1.2 Magnetische Hilfslinien
1.1.2 Multi-Image Camera Raw und DNG 

Sorgte bisher schon der kräftig wachsende Markt der digitalen Fotografie für einen steigenden Anteil an Photoshop-Usern, die aus diesem Bereich kommen, so hat Adobe nach Erscheinen der letzten Version Photoshop CS immer massiver auf die aktuelle technische Entwicklung sowie auf professionelle Bedürfnisse Rücksicht genommen und mit dem Camera-Raw-PlugIn die Mehrzahl der Daten von aktuelleren Digitalkameras direkt in das Programm einlesbar gemacht. Vielfach ging das zuvor nur mit einem Zwischenschritt über die jeweiligen Import- und Bearbeitungsprogramme der Kamerahersteller. Nun ist in Photoshop nicht nur der Support für alle wichtigen Kameramodelle eingebaut, sondern sogar die Fähigkeit, den Import der RAW-Daten aus der Kamera im Hintergrund und für ganze Ordner von Bildern laufen zu lassen. Mehr dazu und zum DNG-Format, dem »Digital Negative«, das gute Chancen hat, ein Standard für Handling und Austausch von Kameradaten zu werden, lesen Sie ab Seite 37.
1.1.3 Smart Objects 

Dem einen oder anderen User vielleicht schon von anderen Programmen bekannt, hat mit den Smart Objects nun auch in Photoshop das Prinzip der platzierten Dateien Einzug gehalten. Diese bleiben dabei mit ihren Originaldaten verbunden.
Abbildung 1.3 Mit Smart Objects bleiben platzierte Pixelbilder und Vektorgrafiken als bearbeitbares Original erhalten.
Nach dem Platzieren in einer Photoshop-Datei können die Quelldateien im Ursprungsprogramm weiter bearbeitet werden. Photoshop aktualisiert diese Änderungen nach dem externen Sichern der Datei automatisch. Früher war z. B. nach dem Platzieren einer Illustrator-Datei und deren Skalierung bzw. Drehung das Aufrastern in Photoshop zwingend. Jede Manipulation danach hat Pixelmaterial verändert, und das natürlich mit den entsprechenden Qualitätsverlusten. Ab jetzt wird eine Vektor-Datei z. B. bei jeder Drehung und vor allem Vergrößerung in Photoshop erneut geladen: Alles bleibt randscharf! Die Bearbeitung von platzierten Dateien ist also nicht-destruktiv geworden. Gleiches gilt auch für Pixelbilder, die bisher gar nicht platziert, sondern nur als Kopie eingefügt werden konnten und danach keine Verbindung mehr zu ihren Originalen hatten. Nach einer Verkleinerung gingen so immer effektiv Bildinformationen verloren. Diese können nun beispielsweise nach einer Verkleinerung wieder ohne Qualitätsverlust bis zu ihrer Originalgröße vergrößert werden. Die Arbeitsersparnis und Vereinfachung im Workflow, die dieses neue Feature mit sich bringt, ist kaum zu unterschätzen. Näheres dazu ab Seite 339.
1.1.4 Adobe Bridge 

Hier ist eine derjenigen Neuerungen zu finden, die sicher einen ganz wesentlichen Einfluss auf den Workflow und die Produktivität haben werden. Adobe hat den bereits bekannten Dateibrowser weiter verbessert, ihn aus Photoshop entfernt und als selbstständiges Programm für alle Anwendungen der Creative Suite verfügbar gemacht. In Zukunft werden wohl die meisten Photoshop-User ihre Dateien nicht mehr mit Datei · Öffnen, sondern mit Datei · Durchsuchen zur Bearbeitung auswählen und ins Programm holen.
Abbildung 1.4 Adobe Bridge
Auf den ersten Blick erinnert Bridge an den alten Dateibrowser, aber die Verbesserungen stecken hier im Detail. Neben einer zentralen Steuerungsstelle für das Farbmanagement aller an einem Projekt beteiligten Programme finden sich zahlreiche Suchmöglichkeiten nach und in Dateien und angehängten Meta-Daten sowie Kommentaren. Zahlreiche Darstellungsmöglichkeiten, die Vorschau einer ganzen Reihe von Dateiformaten (auch andere als Adobe-Formate) in Form von stufenlos skalierbaren Thumbnails runden das Erscheinungsbild dieses Luxus-File-Browsers ab.
Der unter dem Punkt Adobe Stock Photos integrierte Online-Direktzugriff auf große kommerzielle Bilddatenbanken wie »Comstock«, »photodisc« etc. mag für manche eher nur eine Marketingkooperation von Adobe mit diesen Anbietern darstellen, anderen erspart er aber vielleicht das langwierige Suchen nach genau dem geeigneten Bild für seine Arbeit. Es ist zudem sehr bequem, sofort mit einem Bild in Layout-Qualität arbeiten zu können, ohne Photoshop verlassen zu haben.
Zusätzlich ist Bridge eng mit Version Cue verzahnt. Dazu mehr ab Seite 445.
1.1.5 WYSIWYG-Fontmenü 

Eigentlich eher eine Kleinigkeit, aber darauf haben viele User lange gewartet: Beim neuen Fontmenü kann man schon im Aufklappmenü die Schriften nicht nur mit ihren Namen sehen, sondern auch mit allen ihren Schnitten, also wirklich »What You See Is What You Get«! Für diejenigen, die nicht als altgediente Routiniers ganze Schriftkataloge im Kopf haben, eine große Arbeitserleichterung und ein Anreiz, in der typografischen Gestaltung auch mal ausgetretene Wege zu verlassen.
Abbildung 1.5 WYSIWYG-Schriftmenü
1.1.6 Videovorschau 

Wenn man an Motion Graphic Design denkt, das für Signations, Opener, Trenner, Senderlogos usw. diverse grafische Gestaltungen im TV- und Videobereich zu erledigen hat, so hat Adobe dem nun Rechnung getragen, indem jetzt unter Datei · Exportieren · Videovorschau die Ausgabe des aktuell bearbeiteten Bildes auf einen TV-Monitor möglich ist, sofern die Hardware das unterstützt.
Abbildung 1.6 Videovorschau
Da aber mittlerweile fast alle Computer zumindest eine FireWire-Schnittstelle haben, wird dieses Bild in der Regel als DV-Signal ausgegeben und kann dann z. B. über eine Videokamera mit DV-Eingang am TV-Schirm betrachtet werden. Eine große Vereinfachung und Arbeitserleichterung für alle, die z. B. DVD-Menüs zu gestalten haben und ihre Arbeit bezüglich Schriftdarstellung, Farbraum und Bildgeometrie beurteilen müssen, die ja allesamt bei einem Fernsehbild grundsätzlich anders funktionieren als auf dem Computerbildschirm. Hier finden Sie mehr Informationen im Kapitel »Ausgabe für Video« ab Seite 417.
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