6.2 Panoramamotive auswählen und fotografieren
Die Stärke des Panoramas liegt in der enormen Erweiterung des Betrachtungswinkels im Vergleich zu einer einfachen Fotografie. Vor allem in der Architektur-, Städte- und Landschaftsfotografie lassen sich so faszinierende Bilderwelten erschaffen, die zum Teil sogar virtuell begehbar sind. Eine Steigerung dieser Faszination bieten HDR-Panoramen, die dem erweiterten Blickfeld noch die Erhöhung des Kontrastumfangs hinzufügen. Bei aller Begeisterung ist jedoch nicht zu vergessen, dass die Panoramafotografie aufwendig und zeitintensiv ist. Addiert man nun noch die Ansprüche der HDR-Fotografie, spielen die Motivauswahl sowie die richtige Umsetzung eine entscheidende Rolle. Es ist beispielsweise wenig sinnvoll, ein 360°-Panorama zu erstellen, auf dem außer einem zentralen Hauptmotiv nichts als langweiliger Asphalt zu sehen ist.
Abbildung 6.6 Durch die Kombination von Panorama- und HDR-Fotografie lassen sich mit ein wenig Aufwand beeindruckende Ergebnisse erzielen.
6.2.1 Analyse
Nehmen Sie sich Zeit für die Beurteilung der Aufnahmesituation. Das beginnt schon bei der Wahl des richtigen Zeitpunkts. Sowohl die HDR- als auch die Panoramasoftware haben Schwierigkeiten, Bilder, die viel Bewegung enthalten, sauber zu verarbeiten. Sofern Geisterbilder nicht zur kreativen Gestaltung eingesetzt werden sollen, empfiehlt es sich bei vielen Motiven, gegen den (Menschen-)Strom zu schwimmen. Das kann natürlich auch bedeuten, dass Sie extrem früh aufstehen müssen.
Neben der Motivwahl ist der Standort wichtig, von wo aus fotografiert wird. Drehen Sie sich um die eigene Achse, und stellen Sie sich die einzelnen Aufnahmen vor. Was soll das Panorama beinhalten, und wie viele Aufnahmen sind dazu notwendig? Objekte im Vordergrund wirken in Panoramen meist sehr dominant und lenken vom eigentlichen Motiv ab. Vor allem bei Landschaftspanoramen wirken solche Objekte eher störend und sollten vermieden werden.
Wie ist die Lichtsituation, und welche Einstellungen können verwendet werden? Oftmals genügt ein Standortwechsel von wenigen Metern, um die direkte Sonne durch ein Gebäude, einen Baum oder eine Erhebung verdecken zu lassen. Je besser die Aufnahmeserie geplant ist, desto weniger Korrekturen und Nachbearbeitungen müssen Sie vornehmen. Zwar lassen sich mit Hilfe der Software einige Fehler beheben, doch das geht zu Lasten von Qualität und auch Quantität.
WWW |
Eine gute Einstiegsadresse, um sich intensiv mit der Parallaxenverschiebung auseinanderzusetzen, ist www.panphoto.de. Dort gibt es viele Informationen rund um die Panoramafotografie und eine ausführliche Linkliste, unter anderem mit Anleitungen zum Eigenbau eines Nodalpunktadapters. Daneben ist natürlich auch Wikipedia (de.wikipedia.org) bestens geeignet, um in die Tiefen der Panoramatechnik vorzudringen. Wer seinen Adapter nicht selbst bauen möchte, ist mit dem preiswerten »Nodal Ninja Adapter« gut bedient. Das amerikanische Produkt lässt sich über www.pano-store.de beziehen. |
6.2.2 Kameraaufbau und Einstellungen
Nachdem Sie für das Stativ einen stabilen Stand gefunden haben, kann die Kamera montiert und ausgerichtet werden. Für die meisten Panorama-Aufnahmen ist das Hochformat ideal, da sie einen größeren vertikalen Spielraum bieten als Bilder im Querformat. Beim exakten Ausrichten der Kamera helfen Ihnen der Nodalpunktadapter und die Wasserwaage. Je mehr die Kamera abweicht, beispielsweise bei Aufnahmen aus der Hand, mit umso mehr Beschnitt müssen Sie beim späteren Stitchen rechnen. Insgesamt ist das Erstellen der Ausgangsaufnahmen aus der Hand sowohl für die HDR- als auch für die Panoramafotografie nicht zu empfehlen.
TIPP |
Sofern die Kamera über die Funktion einer automatischen Belichtungsreihe verfügt, kann dies durchaus zu guten Ergebnissen führen, und Sie müssen nur wenige Aufnahmen erstellen. Wichtig ist, dass Sie hier nur die Zeitautomatik aktivieren und auf keinen Fall die Blendenautomatik, da die Tiefenschärfe sonst von Bild zu Bild abweichen kann. |
Für die Kameraeinstellungen gelten die gleichen Bedingungen, wie schon bei der HDR-Fotografie beschrieben: Stellen Sie Blende, Fokus und Weißabgleich manuell ein, und für die mittlere Belichtung wählen Sie den neutralsten Motivausschnitt, um die Kamera-Einstellungen vorzunehmen. Für das HDR-Panorama ist es notwendig, von jedem Ausschnitt wenigstens drei Aufnahmen mit je zwei Belichtungsstufen Unterschied zu haben. Da bei vielen Aufnahmesituationen mit unterschiedlichen Lichtverhältnissen zu rechnen ist – beispielsweise wird bei einem 360°-Landschaftspanorama zum einen mit und zum anderen gegen die Sonne fotografiert –, empfiehlt es sich, größere Belichtungsreihen mit höchstens einer Belichtungsstufe Unterschied zu erstellen. Größere Belichtungsreihen mit kleineren Belichtungsstufen bieten beim späteren Zusammensetzen der Panoramen die Möglichkeit, einzelne Belichtungen zu variieren.
Bezüglich der Blendeneinstellung gilt (wie auch bei der normalen HDR-Fotografie): Solange das Stativ einen festen Stand hat, kommt es auf ein paar Sekunden mehr oder weniger nicht an. Für eine größtmögliche Schärfentiefe wählen Sie eine kleine Blendenöffnung (große Blendenzahl). Dadurch erhöht sich die Belichtungszeit, und es kann eher zu Verwacklern kommen, wenn der Kamerastand nicht absolut fest ist.
6.2.3 Objektiveinstellungen
Mit einem Fisheye-Objektiv ist es möglich, aus nur sechs Aufnahmen ein Kugelpanorama zu erstellen. Moderne Stitching-Software kommt mit diesen extremen Verzeichnungen zurecht und liefert erstaunliche Ergebnisse. Nun hat aber nicht jeder Fotograf, der an Panorama-Aufnahmen interessiert ist, ein hochwertiges und somit teures Fisheye-Objektiv zur Hand. Dann möchten Sie vielleicht lieber ein großformatiges Multi-Picture-Panorama aus mehreren Einzelaufnahmen erstellen. Bei einer normalen Brennweite zwischen 45 und 55 mm oder einer leichten Telebrennweite entstehen die wenigsten Verzerrungen, die auch eine einfache Stitching-Software gut handhaben kann.
TIPP |
Auch wenn die Verführung groß ist, etwas näher an Ihre Motiv heranzuzoomen: Lassen Sie lieber etwas Luft nach oben und unten. Es sieht einfach nicht gut aus, wenn die Spitzen des Bergmassivs am oberen Panoramarand stecken oder der Treppenaufgang des historischen Schlosses abgeschnitten ist. |
Abbildung 6.7 Durch den Bildverlust beim Stitchen wurde der schon knapp bemessene Raum nach oben weiter beschnitten. Die Berggipfel stoßen an den Bildrand, was nicht sonderlich schön ist und die gesamte Arbeit abwertet.
Darüber hinaus lassen sich auf diese Art detailreiche Panoramen erstellen, die auch für einen großformatigen Druck geeignet sind. Wenn es der Abstand zum Motiv zulässt, empfiehlt es sich, eine Brennweite oberhalb des (extremen) Weitwinkels zu wählen, auch wenn Sie dafür einige Aufnahmen mehr erstellen müssen. Größe und Detailreichtum entlohnen für die Mehrarbeit. Reduzieren und zuschneiden können Sie Ihr Panorama später immer noch.
6.2.4 Die Belichtungsreihen aufnehmen
Nehmen Sie die Belichtungsreihen für Ihr Panorama von links nach rechts auf. Das erspart ein späteres Umsortieren, da die Stitching-Programme diese Aufnahmerichtung als Standard vorgeben. Bei vertikalen Panoramen fotografieren Sie von unten nach oben. Die Aufnahmen einer Belichtungsreihe sollten sich zwischen 25 und 40 % mit den Aufnahmen der nächsten Belichtungsreihe überlappen. Damit wird gewährleistet, dass die Stitching-Software genügend Verknüpfungspunkte findet. Darüber hinaus ergibt sich bei einer etwas größeren Überlappung die Möglichkeit, Objekte, die sich im Randbereich einer Belichtungsreihe bewegt haben, problemlos herauszuretuschieren. Grundsätzlich sollten Sie jedoch anstreben, bewegte Objekte in den Aufnahmen ganz zu vermeiden.
Single- und Multi-Row |
Diese Ausdrücke bezeichnen ein- und mehrreihige Panoramen. Dabei wird das Panorama entweder in einer horizontalen Reihe oder in mehreren horizontalen Reihen fotografiert. Für ein Kugelpanorama beispielsweise sind mehrreihige Aufnahmen unerlässlich. |
Jetzt bleibt noch die Entscheidung, ob Sie ein- oder mehrreihige Belichtungsserien erstellen wollen. Viele Stitching-Programme können sowohl Single- als auch Multi-Row-Panoramen verarbeiten. Zu beachten ist dabei nur, dass sich die Zahl der benötigten Aufnahmen für ein Multi-Row-HDR-Panorama schnell in den dreistelligen Bereich bewegt.
6.2.5 Zügig arbeiten und Zeit nehmen
Das ist kein Druckfehler oder Widerspruch: Wenn Sie alle Vorbereitungen getroffen, die Kamera eingestellt und die ersten Aufnahmen gemacht haben – hierfür brauchen Sie Zeit –, sollten Sie die nachfolgenden Belichtungsreihen zügig durchfotografieren. Denken Sie nur an ziehende Wolken in einem Landschaftspanorama, die natürlich so abgelichtet sein sollten, dass sie von der HDR- und Stitcher-Software problemlos zusammengefügt werden können.
Natürlich kann es vorkommen, dass während der Aufnahmeserie die Sonne hinter den Wolken hervorkommt. In solchen Fällen benötigen Sie etwas Geduld und Zeit, bis die Licht- und Schattensituation wieder derjenigen in den ersten Aufnahmen entspricht. Es wäre überaus unschön, wenn auf der einen Belichtungsreihe die Sonne scheint und Objekte Schatten werfen und auf der nächsten kein Schattenwurf auftritt, dafür aber der gesamte Ausschnitt etwas dunkler ausfällt.
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