3.4 Optische Fehler beheben
3.4.1 Der Filter Objektivkorrektur
Vor der Version CS2 hat es in Photoshop praktisch keine Möglichkeiten gegeben, optische Verzerrungen, wie sie z. B. bestimmte Objektive hervorrufen, zu korrigieren. Das ging bis dato nur mit Plugins von Drittherstellern.
Unter Filter • Verzerrungsfilter • Objektivkorrektur findet man seitdem ein All-in-one-Tool, mit dem in einem einzigen Dialog alle wichtigen Bildfehler aus diesem Bereich korrigiert werden können. Der Dialog ist entsprechend umfangreich und wird im Folgenden Schritt für Schritt besprochen.
Schritt für Schritt: Korrektur einer Weitwinkelaufnahme
1. | Bildgerade ausrichten |
Weitwinkelaufnahmen haben oft eine Tonnenverzerrung, die das Bild bauchig aussehen lässt. Waagerechte und senkrechte Linien sind nach außen gewölbt.
Daten auf der DVD |
Sie finden die Datei zu diesem Workshop auf der Buch-DVD unter Beispieldateien/03_Digitalfotos/Objektivkorrektur. |
Abbildung 3.62 Verzerrte Weitwinkelaufnahme
Für die Ausrichtung braucht man ein Gitternetz. Öffnen Sie dazu das Menü Filter • Verzerrungsfilter • Objektivkorrektur. Bevor man an die Ausrichtung gehen kann, muss man das Bild zuerst gerade ausrichten.
Man sucht sich eine Senkrechte möglichst nahe der Bildmitte und zieht eine möglichst weitreichende Linie mit dem Gerade-ausrichten-Werkzeug (Abbildung 3.63). Photoshop wird nun das Bild automatisch so rotieren, dass diese Linie exakt senkrecht ist. Der Winkelwert ist rechts unten in den Einstellungen in der Abteilung Transformieren zu sehen.
Genaue Eingaben |
Hat man das Zahlenfeld beim Regler aktiviert, kann man mit oder in Zehntel-Schritten fein einstellen (mit + oder + geht das in ganzzahligen Schritten). |
Abbildung 3.63 Dialog der Objektivkorrektur
2. | Tonnenverzerrung beseitigen |
Nun kann man das Bild entzerren, indem man entweder den Regler Verzerrung entfernen in Richtung Kissenverzerrung schiebt (nach rechts) oder das Ganze interaktiv mit dem Verzerrung-entfernen-Werkzeug bewirkt.
War die Senkrechte für die gerade Ausrichtung nicht genau in der Mitte, muss man hier nun eventuell nachbessern, weil sie sich durch das Entzerren wahrscheinlich leicht geneigt oder gebogen hat. In hartnäckigen Fällen geht das so ein paarmal hin und her, bis es passt. Mit dem Raster-verschieben-Werkzeug kann man das Gitternetz jederzeit so verschieben, dass man die Ausrichtung gut beurteilen kann.
Abbildung 3.64 Gerade ausgerichtetes und entzerrtes Bild
3. | Perspektive korrigieren |
Im Anschluss an die Entzerrung, bei der alle vertikalen Linien im Bild senkrecht ausgerichtet wurden, soll nun die Perspektive so korrigiert werden, dass die Horizontalen im Bild auch wirklich waagerecht verlaufen.
Abbildung 3.65 Einstellungen für Perspektivkorrektur
Der Filter Objektivkorrektur besitzt dafür in den Einstellungen den Bereich Transformieren, in dem neben dem Winkel die Vertikale Perspektive und die Horizontale Perspektive verändert werden können. Im Prinzip wird dabei das Bild um die Hochachse und die Querachse geschwenkt. In unserem Fall ist nur die Vertikale Perspektive so lange zu ändern, bis die Waagerechten stimmen.
Abbildung 3.66 Perspektive korrigiert
4. | Chromatische Aberration beseitigen |
Diese Funktion steht im Camera Raw-Dialog ebenfalls zur Verfügung, aber nur für RAW- oder DNG-Dateien (siehe Kapitel 2). In der Objektivkorrektur kann man die störenden Farbsäume dieses Linsenfehlers nun auch bei allen anderen Bilddateien korrigieren.
Weil die chromatische Aberration als Fehler mit den optischen Verzerrungen verwandt ist, kann man das hier gleich mit erledigen. Hierzu muss man möglichst weit in einer Bildecke eine einigermaßen kontrastreiche Ecke oder Kante aussuchen und diese stark vergrößern (200 – 300 %).
Nun verschiebt man den Regler Rot/Cyan-Farbränder so lange, bis man eine Einstellung gefunden hat, bei der die Säume minimal sind. Ganz zum Verschwinden bringt man sie nicht immer. Das hängt vor allem von der Objektivart und -qualität ab.
Abbildung 3.67 Einstellfeld für die Beseitigung der chromatischen Aberration
Blau/Gelb-Farbränder sind nicht so häufig. Man sollte aber dennoch mit diesem Regler probieren, ob eine weitere Bildverbesserung zu erreichen ist.
Abbildung 3.68 Cyan-Farbsaum vor und nach der Behandlung mit Chromatische Aberration
5. | Bild skalieren |
Durch die Entzerrung und die Perspektivkorrektur hat das Bild am Rand kräftig an Fläche verloren. Mit dem Regler Skalierung im Feld Transformieren könnte man das Bild nun wieder formatfüllend machen. Man muss aber dabei sowohl an die Bildauflösung als auch daran denken, dass im linken Teil verkleinert, im rechten dagegen vergrößert wurde.
Abbildung 3.70 Skaliertes Bild
Das Vergrößern von Pixelbildern ist prinzipiell mit Qualitätsverlust (vor allem Unschärfe) verbunden. Deshalb bleibt man auf der sicheren Seite, wenn man das Bild so weit verkleinert, dass nichts abgeschnitten wird.
Abbildung 3.69 Bild skalieren
Abbildung 3.71 Das Original und das beschnittene Endergebnis
Nach dem Beenden des Filterdialogs mit OK erhält man dann mit dem Freistellungswerkzeug zwar ein kleineres Bild, kann dafür aber sicher sein, dass es nirgendwo vergrößert wurde und qualitativ in Ordnung ist.
3.4.2 Für hartnäckige Verzerrungen: Verkrümmen
Mit dem Filter Objektivkorrektur kommt man bei der Behandlung von Linsenverzerrungen an eine Grenze. Ab einer bestimmten Brennweite des Objektivs ändern sich dessen geometrische Eigenschaften gravierend, weil alle Verzerrungen stark kugelförmig werden. Das unterscheidet ein Weitwinkelobjektiv von einem Fischauge. Diese Verzerrungen lassen sich mit der Objektivkorrektur nicht mehr beseitigen.
Auch wenn das alternative Verfahren mit Bearbeiten • Transformieren • Verkrümmen durch die nötige Handarbeit nicht exakten mathematischen Regeln folgt, sondern nur mit Augenmaß zu erledigen ist, kann man in solchen Fällen doch im Modus Eigene, Wulst oder Aufblasen akzeptable Ergebnisse erzielen.
Wichtig sind Hilfslinien, um zunächst im Bild eine Richtschnur für die Senkrechten zu haben. Dann wählt man alles aus und zieht beim Verkrümmen-Gitter die Kantenmitten ins Bild hinein. Dabei dienen die Hilfslinien hier z. B. für die senkrechte Ausrichtung von Laterne und Kirchturm. Auch das Muster des Straßenpflasters oder der Hausfassaden kann als Anhaltspunkt dienen. Hundertprozentig gelingt dies meist nicht, aber man bekommt die auffällige kugelige Verzerrung weitgehend aus dem Bild (siehe Abbildung 3.72).
Vorsicht! |
Beim Verkrümmen ist wichtig, dass man die Kanten ins Bild zieht und nicht die Ecken aus dem Bild, was einer Vergrößerung und einem Qualitätsverlust durch Unschärfe in den Ecken gleichkäme. |
Abbildung 3.72 Foto mit starker Verzerrung (Fullframe-Fisheye) (links) und Korrektur eines Fisheye-Bildes mit Verkrümmen im Modus Eigene (rechts)
3.4.3 Optikkorrekturwerkzeuge von Drittherstellern
Es gibt eine Reihe von Filtern, die als Plugins von Drittherstellern für die Korrektur von optischen Fehlern angeboten werden.
Einen sehr guten Ruf haben Plugins, die auf den PanoTools aufbauen. Die PanoTools sind ein ganzes Set von verschiedenen kleinen Programmen zur Bildkorrektur und -entzerrung, deren Entwicklung als Open-Source-Projekt von Prof. Dersch an der Fachhochschule Furtwangen im Schwarzwald begonnen hat. Mittlerweile werden sie international in verschiedenen Zweigen einer recht großen Entwicklergemeinde weitergeführt und sind z. T. freie Software. Neben Java-Programmen existieren die verschiedenen PanoTools-Module auch als Photoshop-Plugins. Waren sie früher sehr umständlich zu bedienen, haben nun diverse Entwickler teilweise recht komfortable User Interfaces dafür geschrieben.
[Open Source] Software, deren Quellcode offengelegt wurde und die jeder Interessierte weiterentwickeln darf. Sie wird auch freie Software genannt, aber weniger, weil sie nichts kostet, sondern weil sie frei von Copyrights und Patenten ist.
PTLens | Eine sehr brauchbare Alternative zur Objektivkorrektur von Photoshop ist PTLens, das Thomas Niemann (www.epaperpress.com/ptlens) auf der Basis der PanoTools entwickelt hat.
PTLens |
Sie finden die Demoversion von PTLens als Photoshop- und Lightroom-Plugin sowie als Stand-alone-Programm für Mac und Windows (für Mac zusätzlich mit Aperture-Plugin) auf der Buch-DVD unter Software/Optik. PTLens kostet 25 US$. |
Abbildung 3.74 Präzise Optikkorrekturen auf Basis der PanoTools mit PTLens
Abbildung 3.73 Originalbild mit der typischen Fischaugenverzerrung
Neben einem einfach zu bedienenden User Interface ist dieses Plugin mit einer Datenbank ausgestattet, die eine sehr große Zahl an Kamera-Objektiv-Kombinationen als Vorgabe bietet. Die Korrekturmöglichkeiten hören hier nicht bei der Weitwinkel-Fischaugen-Grenze auf, sondern umfassen auch die Vignettierung und chromatische Aberration.
Werkzeuge wie PTLens auf der Basis der PanoTools berechnen die Entzerrung der Bilder mit wesentlich höherer Genauigkeit, als Photoshop das mit seiner »bikubischen Interpolation« je tun könnte. Vor allem die chromatische Aberration lässt sich wesentlich genauer bekämpfen als mit den Bordmitteln von Photoshop, weil hier extrem präzise Einstellmöglichkeiten geboten werden, um Bildverzerrungen für jeden Farbkanal separat zu beseitigen.
[Bikubische Interpolation] |
Ein Photoshop-Algorithmus, wenn es um die Bildneuberechnung bei allen Transformationen (Skalieren, Drehen, Verzerren) geht. Guter Kompromiss zwischen Qualität und Rechengeschwindigkeit. Bei heiklen Anwendungen wie präzisen Optikkorrekturen ist sie anderen Verfahren (Sinc, Mitchell, Spline oder Lanczos) jedoch deutlich unterlegen. |
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